Neulich beim Metzger:
– Guten Tag, ich hätte gern zwei Pfund Sitzfleisch und ein Schälchen Kabelsalat.
– Geschnitten oder am Stück?
– Geschnitten.
Der Metzger greift zum Hackebeil und zerteilt das Fleisch:
Boing bumm tschack! Boing bumm tschack!
Womit wir beim Thema wären.
Es gibt einige Strategien, die es auch durchschnittlichen Talenten ermöglichen, zu ganz Großen im Popbusiness zu werden.
Mit zweien möchte ich mich heute kurz beschäftigen.
Die eine nenne ich Enigma-, die andere Sitzfleisch-Taktik.
Die Enigma-Taktik funktioniert so: man gibt sich bewusst merkwürdig und rätselhaft, musiziert irgendwie avantgardistisch oder zumindest pseudo-innovativ und kaum hat man eine gewisse Bekanntheit erlangt, verschwindet man von der Bildfläche. Mit einigem Glück ist man zwei Dekaden später zur Legende geworden.
So werden seit etwa 20 Jahren von allen Menschen, die sich weltweit in irgendeiner Art und Weise mit elektronischer Musik beschäftigen, die deutschen Kraftwerk als geniale Pioniere gelobt und als super-einflussreicher Urquell alles weiteren Tuns in diesem Genre gepriesen.
Kraftwerk sind schlau genug seit etwa genau so langer Zeit keinerlei Mucks mehr von sich zu geben und genießerisch-schweigend ihre Kontostände abzufragen.
Im Kosmos der elektronischen Musik sind Kraftwerk Heilige.
Das ist insofern amüsant, als ja eigentlich das meiste, was die Band produzierte, nicht so sehr nach ausgebuffter Toningenieurskunst klingt, sondern vielmehr wie zwei bebrillte Pädagogikstudenten, die zum ersten Mal im Leben einen Lötkolben in der Hand halten.
Und das musikalische Thema von Radioaktivität gemahnt an das Erstlingswerk eines Sechsjährigen nach seiner zweiten Klavierstunde.
Jedenfalls größtenteils eher Notstromaggregat als Kraftwerk.
Von den Texten mal ganz abgesehen:
„Radioaktivität
für Dich und mich im All entsteht.“
Ich denke, wir verstehen uns, meine Damen und Herren…
Die Sitzfleisch-Taktik hingegen wird mit Bravour seit zwanzig Jahren von den Manic Street Preachers vorgelebt. Die Manics sind so was ähnliches wie der Urmeter in Paris. Nämlich die Referenz für musikalisches Mittelmaß.
Wenn man aber einfach immer weiter macht, jedes Jahr aufs Neue eine mittelmäßige Platte veröffentlicht, dann gehört man auch irgendwann zum Establishment. Und hat man erst Mal die Vierzig erfolgreich überschritten, gilt man quasi automatisch als ernstzunehmende Gentlemen und die Alben werden verlässlich von der Kritik abgefeiert und mit würdevollem Pathos vertheoretisiert.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Die Manic Street Preachers sind beileibe nicht schlecht.
Sie sind mittel.
Das ist etwas ganz anderes.
Sie verfügen darüberhinaus über eine der spannendsten Bandhistorien in der Geschichte des britischen Pop und haben mit dem bittersüßen Albumcover von Send Away The Tigers eines der schönsten seiner Art abgeliefert.
Das macht die Musik aber nicht besser.
Ferner hat sich Bassist Nicky Wire mehrfach despektierlich über Billy Bragg geäußert – vermutlich ging es irgendwie darum, wer denn eigentlich der wahre Platzhirsch der britischen musikalischen Linken sei.
Das spielt
a) keine wirkliche Rolle, denn es handelt sich ja um Musiker und nicht um Politiker, und diesbezüglich ist
b) Billy Bragg zweifellos der bessere Songwriter. Und es ist
c) ohnehin reichlich töricht, gegen jemanden wie Billy Bragg zu agitieren. Ich meine, klar, man kann auch Mutter Theresa, Franz von Asisi oder Sir BonoBob zum Staatsfeind Nummer 1 erklären, aber es scheint mir Menschen zu geben, gegen die zu kämpfen ein geboteneres Unterfangen darstellt.
So weit, so mittel.
Ich habe hier natürlich, insbesondere im Falle Kraftwerk, im Sinne guter Polemik die Tatsachen ein wenig zu recht gebogen.
Und weil ich als Gutmensch darob latent ein schlechtes Gewissen habe, gebe ich zu, dass insbesondere die Manics natürlich ihre goldenen Popmomente hatten (siehe Überschrift). Und präsentiere Ihnen wenigstens mal die aktuelle Single.
Die is so, sagen wir, mittel…
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