Nach einigem Zögern und Zagen, nach zweimaligem Verschieben des VÖ-Termins, nachdem die Spannung also beinahe schon die Stratossphäre zu verlassen drohte, ist es nun endlich doch erschienen: das Debütalbum der Cardinal Rat Singers: Ratten der Lüste.
Und mal abgesehen von dem fürchterlichen Bandnamen, hat das Trio aus Tübingen in der Tat einen formidablen Job gemacht.
Sängerin Christel Mess bekennt freimütig:
„Klar, der Name ist Scheiße, aber es gibt diese Pointen, die müssen einfach raus in die Welt, auch wenn Du genau weißt, dass sie maximal mittel sind. A propos mittel; die diskutierten Alternativen waren The Immo Autumn Leaves, Must For Kingtigers und Kottan – er metalt. Insofern ist es doch eigentlich noch ganz glimpflich abgelaufen. Außerdem passt das mit den Ratten ganz gut, denn schließlich seh‘ ich ja rattenscharf aus.“
Womöglich richtig, zumal „rattig“ eben auch konzis den leicht sperrigen New-Wave-Sound der Singers beschreibt, ein gelungener Hybrid aus Blondie und den B52s.

Das Repertoire umfasst Covers und Eigenkompositionen.
Erstere sind gleichermaßen abseitig wie überraschend, z.B. eine wildwest-angehauchte Countryversion der Anfangsmelodie der 80er-Jahre-TV-Serie „Manni der Libero“, mit dem strunzdoofen Titel Manni der Manitou.
Den Beatles-Klassiker Good Day Sunshine spielen sie komplett in Moll und nennen es Kacktag Niesel.

Von den eigenen Stücken glänzt insbesondere die erste Single Lunchmob („Wir sind der Lunchmob, wir haben Hunger wie Bären, wir sind der Lunchmob, wir denken bloß ans Ernähren.“), in der sich die Band als eine Art Vielfraß-Guerilla präsentiert, was auch immer das bedeuten mag.
„Wir brauchen keine Heckenschützen, keine Barrikaden.
Wir rotten uns spontan zusammen und stürmen Euren Laden.
Wir klauen alle Eier, Würste, Käse und Pommes Frites.
Wir sind die wahren Meister in der Kunst der Lunchjustiz.“

Auch in einem weiteren Song geht es ums Essen, wenn Christel uns auf etwas andere Art und Weise darüber informiert, dass sie fleischlos zu speisen pflegt:
„Ich bin ein Vegetarier,
Obst, Gemüse, Brot en masse.
Nicht, weil ich die Tiere mag,
sondern weil ich Pflanzen hasse!“
Das Stück trägt den treffenden Titel Cereal-Killer.

Ehrensache für eine Band aus Tübingen, dass auch der berühmteste Sohn der Stadt, der unlängst verstorbene Walter Jens, mit einer kleinen Ode gewürdigt wird. Die Nummer heißt Weingott Walter und reimt u.a. wie folgt:
„Der Jens, längst alt und greise,
und die Taschen voller Geld,
kam bedauerlicherweise
ohne Nachname zur Welt.“
Kommentar von Bassist Ole Spälenpopper: „Pietätlos? Vielleicht. Aber von den Hornochsen bei der Plattenfirma hat’s natürlich keiner geschnallt. Die haben keinen Blassen, wer das überhaupt ist. Ich übrigens auch nicht.“

Zum Abschluss widmet sich die Band noch einem notorischen Musikerproblem, dem schlechten Gehör. Unter dem passenden Titel Die weiße Taube bekennt Christel unverblümt:
„Sozialisiert in Proberäumen,
und Diskos, stets bis Ladenschluss,
bin ich bloß eine Teenie-Tussi
mit veritablem Tinnitus.“

Die Cardinal Rat Singers und ihr Album Ratten der Lüste:
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