Kraftklub haben auf ihrem neuen Album einen Song (Unsere Fans), dessen Textidee so simpel und gleichzeitig genial ist, dass es nahezu unglaublich erscheint, dass vorher noch nie jemand drauf gekommen ist: Es geht um das für diese Band vermutlich momentan notorische Thema, dass die Anhänger der ersten Stunde es irgendwie undufte finden, dass ihre Helden nun erfolgreich sind, hier und da im Formatradio laufen und in viel zu großen Hallen spielen. Kraftklub drehen den Spieß um und klagen ihre Fans an. Dafür, dass die jetzt so mainstreamig geworden sind und immer noch auf ihre Konzerte gehen etc. Guter Wurf.
Zwei weitere Highlights vom aktuellen Album In Schwarz:
Mein Rad, eine dezidierte Nichtliebeserklärung an den Typ, der Felix Brummers Rad geklaut hat.
Und Meine Stadt ist zu laut.
Setting: ein etwa zu 30% lattemacchiatisiertes, „buntes“ Stadtviertel. Hauptrolle: Ganz unbuntes, ödes Kohlepärchen, das unlängst seine horrend überteuerte Luxus-Loftwohnung bezogen hat, um sich fortan mit täglich steigender Intensität über den Lärm im Haus und auf der Straße und insbesondere über den Club am Ende der Straße zu beschweren. Sich auf Parties aber natürlich trotzdem stets damit schmückt, in eben jenem angesagten Kiez zu wohnen. Da man sich einen guten Anwalt ja leisten kann, dauert es auch nicht lange, bis der Club schließen muss. Auf dass aus dem ehemaligen Szeneviertel möglichst schnell ein Scheißviertel für Scheißleute ebendieses Kalibers wird. Genau solchen Leuten schicken Kraftclub ein herzhaftes „Fickt Euch“ hinterher, und auch wenn die Schattenseiten der Gentrifizierung ja nun wirklich kein neues Phänomen darstellen, so macht es trotzdem Spaß, wenn hin und wieder mal jemand genau dort dazwischenhaut, wo selten die Falschen getroffen werden.
Musikalisch sind Kraftklub auf Dauer eine Spur zu hemdsärmelig für ein ganzes Album, aber sie klingen angenehm britisch (mehr Franz Ferdinand als Farin Urlaub), und das ist immer noch eine Rarität in der deutschsprachigen Musikwelt – insgesamt sehr lobenswert!
Ein Album, das mich relativ ratlos zurücklässt, ist der neue Die Sterne-Longplayer Flucht in die Flucht. Zwar findet sich darauf mit Drei Akkorde der vielleicht schönste Sterne-Song jemals (schön im Sinne von zart, zauberhaft, friedvoll), und Bonustrack Es hat nicht geholfen vermag zumindest ein dickes Grinsen zu erzeugen. Aber trotzdem kommt einem die Band merkwürdig fremd vor.
Ausgelaugt und hoffnungsarm die Grundstimmung, abgemagert und blutleer der Sound – teilweise klingt das Album wie vom Vier-Spur-Rekorder. Dieser Fluchtversuch scheint mir jedenfalls reichlich halbherzig zu sein. Vielleicht hätte man sich Ex-Toto-Sänger Bobby Kimball als Produzenten angeln sollen…
Hier ist die Single Mein Sonnenschirm umspannt die Welt.
Neues gibt es auch von The Kooks. Listen heißt deren Album, und dieser Aufforderung bin ich nachgekommen. Ich habe es nicht bereut.
It Was London ist richtig gute alte Britpop-Schule, imagine: frühe Ocean Colour Scene oder Luke Pritchard als Leadsänger von Style Council o.ä.
Single Down setzt um, was die Musikpresse letztes Jahr den Arctic Monkeys dauernd unterstellte: Indie-Gitarrenrock goes Urban Beats!
Während man bei den Monkeys die schwarzen Einflüsse nur mit viel Phantasie erahnen konnte, sind die Kooks diesbezüglich konsequenter. Down ist lupenreiner R&B, aber mit Schraddel-Gitarren gespielt. Lustig.
Dreams ist eine charmante faux-beatleoide Ballade, Keep Your Head Up erinnert gar an Give Peace A Chance und Backstabber ist ein angenehm psychedelischer Closer.
5 Topsongs auf einem Album – das ist eine sehr ordentliche Quote.
Nächste Woche erwarten wir das neue Album von Schmidts Katze Johnny Marr. Die Single gibt es bereits: Easy Money. Wenn sie schon lange kein total bescheuertes Video mehr gesehen haben, hier ist die Gelegenheit. Musikalisch ist das ganze, äh, sagen wir: Gediegen. Routiniert. Gut abgehangen. Und deshalb auch ein bißchen langweilig. Man wünschte sich, Marr hätte diesen Song nicht für sich selbst sondern für z.B. Miles Kane geschrieben.
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