Als leidenschaftlicher Bahnreisender komme ich ja nur selten in den Genuss, mal die deutschen Autobahnen heimzusuchen.
Aber anlässlich meiner Lesung und des DJ-Gigs in Brüssel war es mal wieder soweit.
Und im Urlaub musste ich gleich noch zwei weitere Fernreisen auf vier Rädern über mich ergehen lassen.
Und konnte feststellen: Auf Autobahnschildern wird inzwischen die jeweils nächste Raststätte mit dem netten Hinweis auf das dort vorzufindende gastronomische Angebot ergänzt.
Für mich als notorischen Kaffee-Nazi bedeutet das, dass ich nun also das Einlegen einer Pinkelpause nicht mehr in erster Linie von der Dringlichkeit des Blasendrucks abhängig mache, sondern von der Frage, ob man vor Ort auch einen leckeren Segafredo feilbietet.
Merke: als Ritter des guten Geschmacks muss man auch mal einhalten können! Vielleicht könnte ich für meine nächste Lesereise die Firmen Segafredo und Granofink als Doppelsponsor gewinnen…
Widmen möchte ich mich aber heute einem Juwel der bundesrepublikanischen Rasthauskultur,
der „Raststätte Aachener Land“.
Nun, über das Aachener Land weiß man ja im allgemeinen recht wenig, und das ist gut so.
Es ist, reden wir Tacheles, eine verdammte Scheißgegend, in der es außerdem eigentlich immer regnet.
Aber sie verfügt offenbar über ein einzigartiges Highlight, nämlich die besagte „Raststätte Aachener Land“.
Das finden zumindest die Betreiber, die „Aachener Land GmbH“, die also flugs und beflissen eine kleine Werbepostkarte über ihr Etablissement (die „Raststätte Aachener Land“) haben drucken lassen.
Und die ist nun wahrhaftig ein wunderschön-absurdes Fundstück und gleichsam eine historische Glanzleistung der deutschen Promotiongeschichte.
Diese Raststätte („Aachener Land“) glänzt nämlich mit einem wahren Füllhorn an Serviceangeboten, mit deren stolzer Hervorhebung auf der Werbepostkarte man nicht geizen mochte:
„Immer warme und kalte Küche“
Hört, hört! Was zu Essen? Auf einer Raststätte? Immer?
Unglaublich!
„Einkaufsmöglichkeiten im Rastshop“
Klingt ebenso einzigartig.
Vermutlich gibt es auf der Toillete sogar fließend Wasser
(free-flow – siehe unten).
„Immer ein Parkplatz vor der Tür“
Das ist auf einem Autobahnparkplatz natürlich eine ganz besondere Überraschung.
Aber es kommt noch besser:
„Free-Flow-Selbstbedienung“
Wahrscheinlich auch stündliche Service-Level-Reports auf Flat-Screens und, selbstverfreilich, lean cooking.
„Leseecke mit vielen aktuellen deutschen Tageszeitungen“
Dass man im Land der Printen den Printmedien besonderes Augenmerk zukommen lässt, war zu erwarten. Ob der einkehrende Fernfahrer künftig dann neben der BILD auch noch die Süddeutsche schmökert, bleibt abzuwarten.
„Bezahlung in allen großen Währungen möglich“
Dass man sich in so einem Vorzeigeschuppen nicht mit „kleinen“ Währungen abspeisen lässt, liegt auf der Hand.
„Gerichte von €2,50 bis €12,40“
Dies nun ist ein bemerkenswerter Fall von Raststätten-Algebra und sollte erfahrungsgemäß wie folgt verstanden werden: Ein trockenes Brötchen kostet 2 Euro fuffzich und für Zwölfvierzig kriegt man eine Bockwurst mit Pommes.
Und das „Rasthaus Aachener Land-Süd“ weiß sogar noch mit einem ganz besonderen Schmankerl aufzuwarten:
„Rundwanderweg für einen Spaziergang in freier Natur“
Heißa – eine kleine Trekking-Tour entlang der A4 incl. fünfminütiger Pause auf der Autobahnbrücke zum Runterglotzen – wer könnte da widerstehen?
Doch nicht genug mit alldem.
Stolz verweist man gleich oben links auf folgendes:
„Alles über uns im Internet: www.aachener-land.de“
Und das freut mich am meisten.
Gibt es mir doch das beruhigende Gefühl, dass dort draußen in der Ebene des worldwideweb Seiten existieren, die mit Sicherheit noch weniger Besucher haben als djlenin.de
Übrigens: die einzig interessante Information, nämlich die Frage, welchen Kaffee man dort serviert, enthält uns die Werbepostkarte vor. Ich glaube, es war Lavazza, aber ich hab’s, ehrlich gesagt, vergessen.
Die Moral von der Geschicht:
Mit Bleifuß vorbei? Das wäre ungerecht.
Ist halt ne stinknormale Raststätte.
Dummerweise bei Aachen.
Berichtet das nächste Mal aus Rastatt,
Ihr Charlemagne Lenin
Zum Thema „Aachener Land“ und „Scheißgegend“ sei noch ergänzt (weil das in dem Beitrag eher schwierig unterzubringen war), dass zwar vermutlich die meisten Deutschen nix über ebenjenes zu berichten wissen, dass aber unsere englischen und amerikanischen Mitmenschen – insbesondere wenn sie noch der sog. Veteranengeneration angehören – definitiv einiges über das Stückchen Deutschland südlich von Aachen zu berichten wissen. Jedenfalls kennen sie alle den Hürtgenwald, jenes unselige Stück europäischen Bodens, auf dem sie, obwohl doch eigentlich der Krieg längst entschieden war, zu Tausenden noch mal ein Bein, einen Arm oder sogar ihr Leben verloren haben. Aus strategischen Erwägungen, die der historischen Forschung bis heute vieldiskutierte Rätsel aufgeben.
Zumindest dürfte ich im zahlreichen angloamerikanischen Blogpublikum mit meiner Einschätzung „Scheißgegend“ auf relativ wenig Widerspruch gestoßen sein.
Was den (weniger zahlreichen) Bloglesern aus dem Land der Printen nicht zum Vorwurf gemacht werden soll – die können ja nichts dafür, dass sie da leben…