Neulich in Paris:
Beim arglosen Besichtigen von Notre-Dame fand ich mich unversehens in einem etwas bizarren Setting wieder. Es war nämlich gerade Gottesdienst.
Und trotzdem war die Kirche gleichzeitig für den üblichen Massenbesucherstrom geöffnet.
Mit anderen Worten: etwa 300 Touristen umrundeten die etwa 100 Gläubigen und die Kirchenbesichtigung mutierte automatisch zur Kirchgängerbesichtigung. Wie im Zoo.

„Kathole (Homo creditorius)
Verschrobener Zweiknieer, der als natürliches Habitat vornehmlich die osteuropäischen Steppen bebetet, Pflanzenfresser und Carnivore (Leib Christi). Vom Aussterben bedroht.“

Der Pfarrer verlas die üblichen Gassenhauer der katholischen Liturgie
(„Pére notre dans le ciel“) und die Gemeinde antwortete nach jahrhundertealtem Ritus („Monsieur, te barme!“ etc.).

War das der literarisch schon so oft besungene Human Zoo?
Prima Idee eigentlich, und eine Ausweitung des Konzepts sei hiermit angeregt.
Was spricht z.B. dagegen, ein Metallica-Konzert samt Publikum zur Besichtigung freizugeben?
„Ah ja, das sind also diese Hard-Rock-Fans! Interessant, interessant. Schau mal, die süßen dicken Bäuche, und dieses lange Fell auf den wackelnden Köpfen – allerliebst.“
„Und die ernähren sich aus Plastikbechern. Mit brauner Flüssigkeit.“
„Aber dieser menschenunwürdige Lärm!“
„Jaja. Ich glaube, die orientieren sich mit den Ohren – wie Fledermäuse.“
„Echt? Ich hätte jetzt eher gedacht, die sind alle taub.“
„Was hast Du gesagt, Schatz?“

Ein Erfolgsmodell wäre bestimmt auch die Freigabe einer BWL-Vorlesung zur Umrundung von Hunderten von Schaulustigen.
„Schau mal, das ist der sogenannte Professor.“
„Ja, und was für einen Käse der die ganze Zeit redet!“
„Und in den ersten drei Reihen schreiben alle diesen Käse auch noch mit!“
„Jaja, und in den hinteren 50 Reihen schreiben alle SMSse, unterhalten sich über Fußball oder basteln Papierflieger.“
„Super spannend! Und wenn sie hier irgendwann raus sind, werden sie unsere Chefs und terrorisieren die Welt mit ihrem debilen Business-Gelaber.“
„Echt total interessant, die Aufzucht dieser Viecher mal live beobachten zu dürfen.“
„Stimmt. Aber hier im Käfig sind sie mir schon lieber als draußen in freier Wildbahn.“
„Haha, wie schön Du das formuliert hast, Schatz.“

t.b.c.
(Schwindsucht)

Admin