Schauen wir uns doch heute mal eine weitere Kapelle näher an, die laut Q zu den heißen Kandidaten für den Titel „beste Platte des Jahres 2007“ zu rechnen ist. Die White Stripes.
Ich möchte mich hier gar nicht allzu lange mit Palaver über die Musik aufhalten – sagen wir es kurz so: Einzelne Tracks, wie etwa der Titelsong des Albums um das es hier geht (Icky Thump), sind echte Killersongs: rauh, dreckig, energetisch, und was die Musikpresse zu solchen Anlässen noch so an üblichen Vokabeln auspacken würde. Trotzdem möchte man nicht unbedingt eine ganze CD am Stück hören.
Aber darum geht es ja bei dieser Band auch gar nicht.
Man findet sie einfach toll, weil man sie toll finden möchte.
Irgendwie sind Jack und Meg sowieso keine wirklich existenten Menschen, sondern vielmehr sowas wie Rock’n’Roll-Maskottchen oder lebende Comic-Figuren. (Was ihnen ja folgerichtig auch einen kurzen Auftritt bei den Simpsons bescherte.)
Also mehr Hollywood-Plot als ernstzunehmende Band.
Aber definitiv großes Kino.

Meg ist die klassische Diva: eine maximal mittelmäßige Person, die eigentlich nichts wirklich kann – sieht nicht außergewöhnlich gut aus, ist größtenteils humorfrei, kann nicht singen, schreibt keine Songs, kann natürlich insbesondere nicht Schlagzeug spielen, sitzt bei Interviews immer schweigend und ketterauchend im Hintergrund, und wenn Sie doch mal was sagt, gewahrt einem schnell, dass das vorherige Schweigen nicht unbedingt die falsche Lösung war.
Und bei allem, was sie tut, hat sie diesen herrlichen Divablick, bestehend aus 1/3 Desinteresse, 1/3 Schmollen und 1/3 „Ich habe verdammt noch mal Migräne und also muss der Rest der Welt jetzt in erster Linie auf mich Rücksicht nehmen!“
Kürzer gesagt: Meg ist eine Frau.
Und also eine durch und durch begehrenswerte Person…

Und wie er sie begehrt. Denn auch Jack spielt seine Rolle natürlich perfekt.
Sie schmollt zwar zu 25% aus purer Gewohnheit, aber zu 75% ja immer noch, weil er irgendwann vor zehn Jahren mal eine andere geküsst hat, was selbstredend einen unfassbaren und niemals wieder gutzumachenden Affront bedeutete.
Seitdem muss er um sie buhlen, um ihre Gunst und ihr Vezeihen.
Er schreibt ihr jeden Tag einen neuen Song.
Er übt jeden Tag stundenlang Gitarre.
Er singt ihr direkt ins Gesicht (bekanntlich hat Jack stets zwei Mikros auf der Bühne – eines in Richtung Publikum und eines in Richtung Meg), heißblütig und innig.
Doch sie nimmt keine Notiz, sie blickt weiter dröge ins Leere.
Er hängt sich also immer mehr rein, übt noch mehr Gitarre, lernt noch weitere Instrumente, feilt an seiner Stimme, wird immer schneller, immer perfekter.
Sie starrt gelangweilt auf den Boden.
Er schreit sich die Seele aus dem Leib, zappelt und zittert am ganzen Körper, „Baaabyieh!!!“ nur um ihr ein einziges Mal ein winziges Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.
Vergebens.

Natürlich braucht eine Hollywood-Geschichte ein Happy-End. Nach der zehnten Platte wird es soweit sein.
Während eines Konzertes, als Jack gerade mal wieder vom Frontmikro zum Meg-Mikro rennt, stolpert er über irgendein Lichtkabel und fällt in einer ziemlich unglücklichen Pose schmerzhaft auf den Allerwertesten. Was gar nicht sooo lustig aussieht, aber Meg bekommt trotz allem diesen befreienden, alle Ketten sprengenden Lachanfall, den ersten seit 13 Jahren, an dem sie beinahe erstickt.
Als sie wieder halbwegs bei Sinnen ist, verlässt sie ihren Schlagzeughocker, schreitet auf ihn zu, nimmt in den Arm, um ihm aufzuhelfen, küsst ihn auf die Wange und sagt „I love you.“
Noch in der gleichen Nacht wird sie sich ihm hingeben.
Schweigend, tonlos aber mit Wonne.
Ein einziges Mal.

Der Film hört an dieser Stelle natürlich auf.
Aber wir wissen ja sogar auch noch, wie die Geschichte weiter gehen würde.
Jack, endlich befreit von seinem zwanghaften, sysiphosen Streben, stellt relativ schnell fest, wofür er zuvor all die Jahre blind war: was für eine mittelmäßige Person sie eigentlich ist.
Er kann aber nicht Schluss machen, denn das würde ja bedeuten, sich einzugestehen, dass das sozusagen zentrale Projekt seines Lebens komplett für die Füße war.
Das Schlussmachen übernimmt stattdessen sie, weil sie sich in einen ziemlich kleinen, ziemlich dicken Typ mit Halbglatze und Schnauzbart verliebt hat.
Meg’s letzte Worte an Jack lauten:
„Sorry, aber Du warst einfach nie mein Typ.“

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