Fratelli?
Klingt wie eine Pastasorte, und wer mich kennt weiß, dass der Satz „Es gibt Nudeln“ und das Wort „Paradies“ eine große semantische Nähe aufweisen.
Doch nicht deswegen wurde Jon Fratelli hier vor einiger Zeit mit einem Lob versehen, sondern auf Grund seines manierlichen Solodebüts Psycho Jukebox. Seine Heimatband, The Fratellis, hielt ich bis dahin für zwar talentiert aber schlampig und irgendwie unreif. Da Jons Soloplatte jedoch, wie ich damals schrub, „erstaunlich ausgeschlafen und erwachsen rüber“ kam, hegte ich einige Hoffnung, als vor Wochenfrist nach fünfjähriger Schaffenspause ein neues Album der drei Fake-Brüder aus Glasgow bei itunes im Regal lag.
Und wurde ziemlich enttäuscht.
Schon immer klangen die Fratellis größtenteils wie ein musikgewordener Jungesellenabschied. Das kann in guten Momenten funktionieren, aber nach spätestens drei Songs wird aus angenehm unflätig unangenehm lärmig, und eine Verschwendung von Ressourcen ist es obendrein. Denn Jons Stimme gehört zu den sympathischen, und die Sixties-Verliebtheit der Band ist grundsätzlich ein gutes Fundament.
Doch ach, es kommt noch schlimmer: Wo die Fratellis auf den ersten beiden Alben munter Beatles- Hippie- und Psychedelic-Einflüsse durch den Fleischwolf drehten, sind nunmehr hauptsächlich traditionelle Blues- und Boogie-Patterns zu hören. Irgendwie sind sie also tatsächlich älter geworden, aber leider im unschönen Wortsinn – vieles hier riecht nach abgehalftertem Pub-Rock an einem schlecht besuchten Dienstag. Zwar ist es verständlich, dass eine Band wie die Fratellis bodenständig bleiben möchte, doch wenn das das einzige Konzept ist und unvorsichtig verfolgt wird, dann klingt es sehr bald erschreckend provinziell.
We Need Medicine heißt die Scheibe, und man weiß gar nicht so recht, welche Medizin, man ihnen verabreichen soll. Früher war es Valium, was ihnen gut getan hätte, aber dieses Album ist auf Dauer selbst so einschläfernd, dass sich eine andere Diagnose aufdrängt:
Folks, you don’t need medicine, you need a bigger picture!
Young Rebel Set aus Stockton-on-Tees (near Middlesbrough Rock City…) sah ich vor einigen Tagen live im gut besuchten Wiesbadener Schlachthof. Der erste Eindruck: die sind ja gar nicht so young, wie ich immer dachte, und rebellisch schon gar nicht. Klar, irgendwie hatte man diese Band automatisch in den großen Topf der Junge-Hüpfer-Indie-Folk-Bands geworfen, Mumford und Söhne und so. Nach dem Konzert frage ich mich, ob man sie nicht eher in einem HR1-Kontext verorten sollte. Und a propos verorten: wüsste man es nicht besser, würde man seinen Allerwertesten darauf verwetten, dass es sich um Iren handelt. (Und schon wäre er weg, der Allerwerteste.)
Zur Live-Darbietung nur soviel: Eine eingespielte Band mit erstaunlich guten Satzgesängen aber einem leider miserablen Sound. Live wie im Studio ist eben der Mann am Mischpult oft das beinahe wichtigste Bandmitglied.
Vorgestellt haben sie ihr neues, zweites Album Crocodile, auf dem sich durchaus drei, vier sehr schöne Balladen tummeln, von dem man aber insgesamt doch nicht so recht weiß, was man eigentlich damit anfangen soll. Es ist mit Sicherheit nicht die Art Musik, auf die die Welt just im Oktober 2013 händeringend gewartet hat. Cocodile (völlig sinnfreier Albumtitel, nebenbei) nährt eher die Vermutung, dass Young Rebel Set mit ihrem fantastischen Hit If I Was aus 2011 als ziemlicher Blitz in der Pfanne in die Rocklexika der Zukunft eingehen werden.
Eine wohl reichlich mißverstandene Band.
Link:
Young Rebel Set – Unforgiven
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