Der Autor dieser Zeilen nennt u.a. zwei prägende Charaktereigenschaften sein eigen:
er hat eine, zwar nicht angeborene, aber biographisch vermittelte Affinität zur Stadt Köln entwickelt (obschon er sich eher als Karnevalsverächter sieht, und, fußballtechnisch, dem traditionellen und beinahe perfekt gereimten Eintracht-Fan-Gesang „Colon, Colon, die Scheiße vom Dom“ einen gewissen Charme nicht abzusprechen vermag),
und er kämpft sein Leben lang mit einer halitophoben Neurose. Soll heißen: er hat panische Angst, unangenehm aus dem Mund zu riechen.
Das sollte man vielleicht wissen, um die folgende Geschichte etwas besser einordnen zu können.

Silverster weilte ich also mal wieder in Köln.
Am Frankfurter Bahnhof einen leckeren Kaffee, anschließend zweieinhalbstunden Halbschlaf im Zug, dann noch ein Lahmacun und zwei Kölsch aus der Flasche, kurz: ich hatte den Odeur eines ausgewachsenen Dutzends toter Fische im Mund und wollte mir vor der Ankunft auf der Party unbedingt noch irgendwo die Zähne putzen. Schließlich drohte dort die Anwesenheit guter weiblicher Bekannter, die mit einem Küßchen auf den Mund zu begrüßen durchaus mein Begehr war.
Aber wo? Normalerweise geht man einfach in einer Kneipe aufs Klo – Zahnbürste und Zahncreme führen wir Halitophoben selbstredend stets im Handgepäck – und kurzerhand seinen atemhygienischen Pflichten nach.
An Silvester allerdings schwierig, da ja in jeder Kneipe irgendwelche ominösen Silvesterparties (incl. Eintritt etc.) steigen.
Bald hatte ich meine Wunschzahnputzkaschemme ausgesucht. Ein klassisch „gutbürgerliches“ Etablissement, in dem offenbar nur ein paar armselige Rentner am Tresen hockten. Mein mich begleitender Freund C. und ich fassten uns ein Herz und betraten den Laden.
C. zwecks Verrichtung einer urinalen Notdurft, ich im Dienste der oralen Knutschvorbereitungen.
– darf man hier mal die Toilette benutzen
– kost‘ fuffzich Cent.
– Kein Thema. Wo isses denn?
– Immer den Gang lang.
Natürlich befand sich am Ende des Gangs ein Festsaal, in dem doch eine Silvestersause zu Gange war. Publikum: etwa 35- bis 45-jährige rheinische Frohnaturen, die man Anfang der Neunziger wohl als „Prolls“ oder wahlweise „Mantafahrer“ bezeichnet hätte.
Ich so zu C.: „Egal jetzt! Augen zu und durch.“
Ab auf den Lokus. Ich pack‘ meine Zahnbürste aus, C. geht abschlagen, und natürlich betritt direkt hinter mir ein ca. einsfünfundneunzig großer, breitschultriger Typ den Abort und geht ebenfalls pissen.
Etwa zeitgleich erreichen C. und der Typ das Waschbecken, an welchem immer noch der Autor steht und sich hektisch, aber nach außen hin normaltuend, die Zähne putzt.

Der Typ:
– Naja, jeda Jeck is aaners.

C. lügt, im diplomatischen Versuch erklärend einzulenken:
– Der trifft gleich seine Freundin, die er schon seit Wochen nicht mehr gesehen hat.

Der Typ:
– Joh, da hätta ma bessa watt aaneres jepozzt!

Spätetstens in diesem Moment wusste ich wieder, was ich an Köln so mag.
Und dass dies bestimmt kein allzu schlechter Silvesterabend werden würde.

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