Zwar bin ich seit etwa zwanzig Jahren bekennender Nichtfernseher, aber würde ich behaupten, dass ich die Glotze nicht ein Mal vermisst habe, wäre das trotz ca. 99,4%iger Richtigkeit im Grunde gelogen.
Und da beziehe ich mich nicht auf Fußball – die Eintracht kann man schließlich auch in jeder halbwegs gutsortierten Eckkneipe belächeln.
Nein, es sind eher Tage wie diese, also historische Jubiläen, an denen ich ausnahmsweise mal gerne an der bunten Bilderwelt teilhaben würde. Denn vermutlich haben ja zumindest Phoenix und Konsorten, womöglich sogar die öffentlich-rechtlichen, den Zuschauer am vergangenen Wochenende und auch heute ausgiebigst mit historischen Doku-Schinken beglückt.
Und als in die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts vernarrter Berufsintellektueller hätte ich mich nur allzu gerne an derlei Programmen erfreut.
So blieb mir wie immer nur der Internetkonsum der ebenda frei verfügbaren Postillen. Aber bewegte Bilder wären mir lieber gewesen. Immerhin habe ich mir heute nach Jahren mal wieder eine Zeitung in echt, also in Papierform, gekauft, leider nur, um enttäuscht feststellen zu müssen, dass das Thema „Mauer“ in der aktuellen ZEIT erstaunlicherweise auf ein ebensolches –Blümchendasein reduziert wurde.
Wenigstens ein Ereignis aus der langen Geschichte der deutschen Teilung möchte ich Ihnen heute zurück ins Gedächtnis rufen: Vergessen Sie Ironman und jegliche Ehrfurcht vor Menschen, die in der Lage sind einen Triathlon zu überleben. Staunen sie stattdessen noch mal über Axel Mitbauer, jenen DDR-Schwimmer, der im Jahre 1969 seine Republikflucht in der Form eines kleinen, nächtlichen Badeausflugs durch die Lübecker Bucht bewerkstelligte. Mit anderen Worten: der ca. 25 Kilometer durch die Ostsee in den goldenen Westen schwamm.

„„Früh, um sieben Uhr, hat mich ein Seemann eines westdeutschen Fährschiffes entdeckt. Er rannte zum Kapitän, der nicht glauben wollte, dass sich hier mitten in der Ostsee ein Mensch an einer Boje festhält.“ Mit einer Flüstertüte fragte der Kapitän Mitbauer, wer er sei. Der rief: „ich komme von drieben“.
„Das hört man“, antwortete der Kapitän und hievte den durchgefrorenen Schwimmer an Bord.“

Chapeau, Genosse Mitbauer!
Immerhin hat das auch meine Wenigkeit dazu bewegt, im Rahmen einer spontanen Solidaritätsdemonstration, an Stelle der üblichen Lauferei heute mal schwimmen zu gehen.
Resultat: stolze zehn Bahnen (á 20m)!
Anschließend klammerte ich bibbernd und völlig ausgepowert an der mich begleitenden Heulboje.
Und mir wurde mal wieder gewahr: mein Körper ist, genau wie die DDR anno 89, ein hoffnungslos heruntergewirtschaftetes System.

Wo wir gerade bei erstaunlichen Leistungen sind: immerhin hat sogar ein einziger Politiker, nämlich überraschenderweise unser Bundespräsident, im Rahmen der heute inflationär gehaltenen Jubelreden daran gedacht und erinnert, dass es in der deutschen Geschichte vor dem 09. Nov. 1989 auch schon den 09. Nov. 1938 gegeben hat.
Und dass man das bei allem festlichen Überschwang bitte niemals aus den Augen verlieren solle.
Auch für derlei eigentlich Selbstverständliches muss man heutzutage schon mal den Hut ziehen.

P.S.: die notorischen Druck- und Grammatikfehler der FR habe ich zumindest in dem hier zitierten Abschnitt freundlichst für Sie verbessert, liebe Leser.
Da nich für.

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