Eine neue Wohnung bedeutet ja nicht zuletzt auch einen neuen Stammkiosk.
Hier im Westend ist dies sogar ein recht schniekes, kleines Lädchen, sozusagen ein reinrassiges Kölsches „Bühdsche“, an dem man seine abendliche Notverpflegung auch nach Ladenschluss der Billigmärkte noch verlässlich und nett bedient erwerben kann.
Nett bedient ist allerdings auch das Stichwort. Der dort zumeist dienstschiebende, nebenbei überaus attraktive Mann – ich tippe jetzt mal wild ins Kraut, dass es sich um einen jungen Algerier handelt – hat nämlich einen Konversationstick: zum Schluss des kurzen Verkaufsakts, sagt er bei Geldübergabe pflichtgemäß „Danke“. Man antwortet mit einem üblichen „Ihnen auch“ oder „ebenso“, woraufhin er sagt, „ja, ihnen auch“ oder „Danke ebenso.“
Nun, beim ersten mal musste ich darüber noch schmunzeln, aber leider ist dieses Pattern bei ihm pathologisch.
In der psychologischen Fachliteratur spricht man in einem solchen Fall von einem Smalltalk-Redundantiker (nein).
Die abschließende Gesprächssequenz verläuft also bei jedem Kioskbesuch etwa so:
– Ja, dann ein schönes Wochenende
– Wünsche ich auch.
– Jo, Ihnen auch.
Oder
– schönen Abend noch.
– Ebenso
– Jo, ebenso.
etc.
Inzwischen nervt mich dieses partout das letztenochdazuüberflüssigeweilbereitsgesagte Wort haben müssen ziemlich. Ich meine, er kann ja vermutlich nichts dafür, ist noch nicht hundertprozentig sprachsicher, und tut nur sein bestes, um nett zu mir zu sein. Aber vorhin erwischte ich mich erstmals bei der kleinen Phantasie, demnächst eine Fliegenklatsche mitzuführen, mit der ich ihm just bei seinem hinterheräffenden „Ja, Danke ebenso“ einen seichten Klaps auf die Backe geben kann. Ich meine, irgendjemand muss ihm diese Marotte ja mal austreiben. Wer weiß, in was für unliebsame Situationen er sonst noch gerät, die vielleicht viel tiefgreifendere Folgen zeitigen. Stellen Sie ihn sich nur nach dem ersten Sex mit seiner Traumfrau vor:
– Du warst toll, Schatz
– Ja, Du auch.
– Ja, Du auch Schatz.
Spätestens nach der dritten Nacht hat die Alte genug und sucht sich einen Anderen.
Oder noch schlimmer: er trifft irgendwann auf einen ebenfalls an Smalltalk-Redundanz Leidenden, und die beiden verfangen sich in einer unendlichen Floskelschleife, aus der sie nicht mehr heraus kommen, bis sie verdurstet sind:
– Ja dann, schönen Abend noch.
– Ja, Ihnen auch.
– Ja, ebenso
– Danke, ebenso
– Jo, Ihnen auch.
– Da nich‘ für.
– Jo, gern geschehen.
– Ja, ebenso.
– Gleichfalls
– Jo, dito
– Und noch’n schönen Abend.
– Wünsch ich auch
– Danke ebenfalls.
– Jo, Ihnen auch. Ich geh mich dann mal rasieren.
– Ja stimmt, rasieren. Danke für den Tipp.
– Jo, gern geschehen.
– Ebenso. Wat mutt, dat mutt.
– …
– Ja dann, frohe Ostern…
Aaaaaaargh!
Ganz klarer Fall von „Frankophone-Einwanderer-Konversation“… Kenn ich von Paris, wo die netten Nachbarn aus dem Maghreb oder Westafrika das „ça va?“ gern abendfüllend ausdehnen:
– Comment ça va?
– Ça va bien.
– Èt la famille?
– Ça va bien … la famille.
– Ét ton copin?
– Oue… bien.
– Ét à la maison?
– Oue…
– Ça va (hier jetzt bitte nicht die Konversation ins Stocken geraten lassen sondern wahlweise beantworten: Arbeit, Schule, Hund, heimische Fußballmannschaft, allgemeines Befinden des Herkunftslandes… und schließlich…)
– Ça va?
– Oui, bien, alors… on y va. Salut!
Ganz klar, dass dabei die ganze Zeit Händeschütteln angesagt ist. Und wenn man Glück hat, kriegt man raus, warum der Nachbar eigentlich geklingelt hat. Aber vielleicht vergisst er das auch zu erwähnen.
Mich erinnert das irgendwie an den alten Monty-Python-Argument-Sketch…
http://www.youtube.com/watch?v=lL9oA1LFoMw
(Das Einbetten scheint hier irgendwie nicht zu funktionieren…)
Feiner Link, Dankeschön.
Und sehr hilfreicher Hinweis, Herr/Frau Nullzeitgenerator.
Ich meine, das könnte ja wirklich ein anderswo ansozialisiertes Handlungsmuster sein – vielleicht war mein dahingeratenes „Algerien“ also gar nicht so verkehrt. Werde am besten gleich mal wieder hingehen und weitere Nachforschungen anstellen.