Nachdem ich letztes Jahr nur noch kümmerliche 10 Songs für meine best-of Liste zusammenbekommen habe, sind es diesmal immerhin 18 geworden. Wobei einige den Sprung auch nur geschafft haben, weil sie dem gelungenen dramaturgischen Aufbau einer Mix-CD dienlich zu sein im Stande waren.
Trotzdem, wie jedes Jahr alphabetisch nach Interpret geordnet, Achtung, Trommelwirbel, kschrkschrkschrkschrkschr-pock!:

DIE BESTEN SONGS AUS 2019

Big ThiefForgotten Eyes
Bon IverHey, Ma
ColdplaySunrise
Collective SoulCrushed
DeichkindBude Voll People
The Divine ComedyNorman and Norma
ElbowWeightless
Noel GallagherBlack Star Dancing
The Goo Goo DollsAutumn Leaves
Half Moon RunThen Again
Hot ChipNo God
KettcarPalo Alto
The LumineersDonna
Marianas TrenchEleonora
MetronomyWhitsand Bay
Die SterneHey Dealer
Heinz StrunkAbgelaufen
Kate TempestPeople’s Faces

Picken wir die wichtigsten heraus:
Zunächst, ich hatte es im ersten Teil Musik 2019 bereits erwähnt, Half Moon Run aus Kanada, deren Album
A Blemish in The Great Light man huldigen sollte. Nicht zuletzt, weil „huldigen“ einfach ein top Wort ist…
Mal klingen sie ein bißchen wie Jamiroquai, mal ein bißchen wie Fleetwood Mac, mal ein bißchen wie The Lumineers und mal ein bißchen wie die Beatles, aber trotzdem immer sehr eigen und vor allem hochinteressant.
Das ist mal eine Band, die sich von Album zu Album gesteigert hat, und alleine das ist ja heutzutage so selten geworden, wo die allermeisten Acts spätestens nach ihrem Debüt nichts mehr richtig gebacken kriegen und sich verlässlich in Richtung Charts oder Ödnis oder Selbstkopie verabschieden. Hut ab!

Die große Überraschung in der Liste ist natürlich die Wiederauferstehung von Noel Gallagher, dessen „Flying Birds“ bisher selten mehr als bodennahen Tiefflug fabriziert haben.
Stattdessen weist uns der alte Mann mit Black Star Dancing den immer noch tauglichsten Weg: den zum Dancefloor.
Und zeigt, wie immergrün Manchester-Rave doch ist, wenn man es nur richtig macht. Stallgeruch schadet bei Historismus selten.
Daran könnten sich Hot Chip ne Scheibe abschneiden, denn deren No God versucht ja auch, den Geist von ’91 heraufzubeschwören, nämlich in Form eines Andrew-Weatherall-Tributes, klingt dabei aber leider bissi so, als hätten die Herren schon beim Vorglühen einen Joint zu viel geraucht, so dass weniger Rave als vielmehr ein nostalgisches Manchester-Sit-In dabei rauskam.

Zweites großes Ausrufezeichen: Collective Soul.
In den 90ern zu Unrecht ein wenig in die Zweite Liga des Grunge einsortiert, insbesondere wegen angeblich fehlender „Härte“, die in Wirklichkeit ein formidables Händchen für brauchbare Melodien war, waren sie spätestens 1999 weg vom Fenster – auch wenn die Band tatsächlich hin und wieder weitere Alben produzierte, von denen aber niemand außerhalb von Georgia wirklich Notiz nahm.
Und jetzt Blood, ein, wenn man vom bescheuerten Albumtitel mal absieht, wirklich feines Album, und so herzzereissend altmodisch, dass man einfach nicht widerstehen kann. Probieren sie bitte auch die Songs Them Blues und Observation Of Thoughts.

Wer noch nicht wusste, was das eigentlich für Menschen sind, die auf Deichkind-Konzerte gehen, dem erklären die Herren es in ihrem Song Bude Voll People, und treffender hätte es wohl auch kein anderer hinbekommen.
Eine 2+ in Selbstironie und Witz für ein gelungenes Cover eines schlimmen Originals.
Eigentlich ebenfalls sehr gut, aber leider hintenraus zu lang, ist Richtig Gutes Zeug.

Vieles aus dem großen Rest der Liste ist von Künstlern, die hier schon häufiger vertreten waren, auf die man sich sozusagen verlassen kann, ohne dass Ihre Alben mich jetzt mit Wucht vom Hocker gerissen hätten. Verlässliche Markenware sozusagen.
Ich rede von Elbow, Bon Iver, Lumineers, Divine Comedy, aber auch von der Hamburger Ecke, also Sterne, Kettcar, die schon erwähnten Deichkind und:
einem Neuling: Heinz Strunk hat ein Album gemacht!
Und das ist maximal mittel geworden, es ist vor allem erstaunlich mittellustig nur. Letzteres gilt leider auch für seinen besten Track Abgelaufen – ich habe aber ein sehr großes Herz für Songs, die immerwiederkehrende Vocalparts enthalten, die kein Mensch versteht. Im vorliegenden Fall das, was die Tussi im Refrain da immer schreit.

Coldplay und Marianas Trench sind hier hauptsächlich reingerutscht, weil sie zusammen ein 1a-Intro für eine Mix-CD zur Weihnachtszeit abgeben,
und die Goo Goo Dolls, damit wenigstens ein einziger nichtdeutscher Gitarrenpopsong auf der Liste steht.

Big Thief waren das Lieblingsthema der weltweiten Musikjournaille (ausgenommen Nordkorea vielleicht), sind also sozusagen die Konsensnewcomer des Jahres.
Der Hype ist, gelinde gesagt, leicht übertrieben, aber zumindest Forgotten Eyes ist ein sehr ordentlicher Song.

Zu guter Letzt noch ein Sonderlob für Metronomy und Kate Tempest, die ja hier neben solchen Vorruheständlern wie Noel Gallagher und Neil Hannon die britische Popehre verteidigen müssen.
Vor allem Kate Tempest hat zumindest bewiesen, dass nicht alle hochgelobten neuen Acts schon mit ihrem zweiten Album abkacken, wie noch oben behauptet.
The Book Of Traps And Lessons ist eine hervorragende Platte und einige andere Tracks wie Firesmoke, Lessons oder Keep Movin‘ Don’t Move waren ebenfalls heiße Kandidaten für die Liste.

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