Wenn 2008, wie ich hier unlängst behauptete, ein entttäuschendes Musikjahr war, dann macht es Sinn mit den Enttäuschungen zu beginnen.
Unangefochten on top of the flops:
The Streets
Nahezu unglaublich, welchen Abstieg Mike Skinner in den vergangenen vier Jahren hingelegt hat. 2004 schrieb er mit A Grand Don’t Come For Free sowas wie den bis dato bedeutendsten Gegenwartsroman des noch jungen Jahrhunderts. Und, Stand 2008, immer noch die beste Platte, die erschien, seit unsere Jahreszahlen mit einer „Zwo“ beginnen. Eine genial banale Geschichte, die verbal so unglaublich treffsicher und goldrichtig dargeboten wurde, dass sie in ihrer herzzerreißenden Simplizität gegen Ende tatsächlich Tränen evoziert – das war ganz großes Kino, und, allemal im Großkontext Hip-Hop, absolut einzigartig. Sollten irgendwelche Historiker sich in ein paar hundert Jahren mit dem Alltagsleben eines Großstadtjugendlichen um die Jahrtausendwende beschäftigen, wäre A Grand Don’t Come For Free die informativste Quelle, derer sie sich bedienen könnten. Dies war definitiv the soundtrack of our lives.
Dass dann das Folgealbum The Hardest Way To Make An Easy Living demgegenüber nur noch abstinken konnte, war voraussehbar, aber eben darum auch verzeihbar.
Was er sich aber heuer mit dem vierten Longplayer Everything Is Borrowed geleistet hat, geht nun wirklich auf keine Kuhhaut mehr.
Nicht nur dass ihm jegliche textliche Brillianz komplett flöten gegangen ist, nein auch musikalisch ist fast das gesamte Album dermaßen daneben, dass es in weiten Teilen nicht nur sehr, sehr schlecht, sondern tatsächlich hochnotpeinlich ist.
Ich erspare Ihnen die schlimmsten Stücke und verlinke hier lediglich mal auf Love You More (da ist wenigstens das Video halbwegs inspiriert) sowie The Escapist, mit dem diese furchtbare Platte noch ein nahezu versöhnliches Ende findet. Trotzdem – das Urteil muss gnadenlos lauten:
Setzen! Sechs!
Kaiser Chiefs
Off With Their Heads hieß das dritte Opus unser aller Lieblingsband aus Leeds. Nun, um das erst mal klar zu stellen: natürlich ist Off With Their Heads, anders als im Falle Skinner, keine schlechte Platte. Sie ist ok.
Sie ist, genauer gesagt, die drittbeste Platte von Dreien.
Und, so kann man schon jetzt vermuten, sie wird auf den vierten Platz abrutschen, sobald das Nachfolgealbum draußen ist. Wer mit Employment so dermaßen fulminant startet und dann mit Yours Truly, Angry Mob überraschend entspannt nachlegt, von dem erwartet man eben was. Mit anderen Worten: die neue Kaiser Chiefs war im wahrsten Sinne des Wortes enttäuschend.
Und ich glaube, dass noch nicht ein Mal die Band die Hauptschuld trifft. Denn die Songs scheinen mir nicht wirklich an Qualität verloren zu haben. Es ist die Produktion, die hier daneben gegangen ist.
Ausgerechnet also Mark Ronson, Celebrity-DJ, Amy-Produzent und Everybody’s Darling, der bislang bei allem, was er tat, ein goldenes Händchen zu haben schien, hat sich an den Kaiser Chiefs nun erstmals verhoben.
Seine Produktion ist nicht nur ideen- und konzeptlos, nein, schlimmer noch: der Sound stimmt nicht. Irgendwie klebt hier alles und klingt pappig, so dass an keiner Stelle wirklich die Sau rausgelangen könnte. Was natürlich bei einer Party-Kapelle wie den Kaiser Chiefs tödliche Folgen zeitigt. Überzeugen Sie sich z.B. hier. Und das ist wohlgemerkt die vielleicht beste Nummer.
Sagen wir:
Drei minus. Was, wenn man zuvor eine klare Eins und eine gute Zwei geschrieben hat, durchaus zur Aufnahme in die Flop-Liste berechtigt.
Fall Out Boy
Die gehören ja nun nicht direkt in meinen Zuständigkeitsbereich, aber gesagt werden muss es trotzdem mal: diese Band hat eine Menge Potenzial (einen famosen Sänger, einen geschminkten Poster-Boy Bassisten, der noch dazu äußerst passable Texte schreibt. Und inzwischen auch die entsprechenden Studio-Budgets, um nach erste Liga zu klingen). Aber über das Wichtigste verfügt sie leider nicht: einen tauglichen Songwriter.
Wenn man mal von dem tumben, aber wenigstens funktionierenden This Ain’t A Scene It’s An Armsrace vom letzten Album absieht, haben die nun inzwischen vier Platten lang nicht einen einzigen Song hinbekommen, der dauerhaft im Gedächtnis bleiben würde (weshalb ich folgerichtig auch nix verlinkt habe). Und damit ist die Karenzzeit abgelaufen, und die Qualifikation für das Pinkeln mit den ganz Großen verpasst.
Nicht versetzt.
Portishead
Gut, ich gebe zu, dass ich auf diese Band ein wenig idiosynkratisch reagiere. Jedenfalls überkommen mich jedesmal, wenn Beth Gibbons, anfängt zu, ja wie nennt man das?, singen wäre das falsche Wort, sagen wir jaulen, oder besser noch: greinen, jedenfalls überkommen mich Mordphantasien. Würgephantasien, um genauer zu sein. Silence zum Beispiel ist geschätzte zwei Minuten lang vielversprechende Musik. Bis diese Frau ihr Maul aufmacht.
Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet gegen diese Person so allergisch bin – ich meine, ich kenne die doch gar nicht. Und doch scheint sie mir all das zu verkörpern und in sich zu vereinen, was ich an Frauen Scheiße finde. Egal.
Jedefalls merkt man erst nach dem Ende der 11-jährigen portisheadschen Schaffenspause, was für ein zauberhaft ruhiger Ort dieser Planet ohne die Combo aus Bristol geworden war.
Karzer.
The Raconteurs
Eher zufällig kannte und wertschätzte ich Brendan Benson schon bevor ich erstmals was von den White Stripes hörte. Um so größer dann die Freude, als sich das Debüt der White/Benson-Kooperative tatsächlich als ein netter Zeitvertreib erwies. Eher längere Gesichter verursachte da schon der diesjährige Nachfolger Consoler Of The Lonely. Nicht dass irgendwas, bei dem Jack White singt und Gitarre spielt, wirklich schlecht sein könnte. Aber einen Gassenhauer wie Steady As She Goes suchte man dann doch vergebens.
Gehen Sie da noch mal drüber.
The Killers
„Are we Human or are we dancer?“,
ist natürlich ein sensationeller Pop-Refrain. Pseudo-tiefsinniger, lyrischer Humbug, aber durch das ungeklärte Weglassen eines Buchstabens eben doch eine fabulöse Hookline.
Jedoch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Band nach dem merkwürdigen Schwung zum Altherrenrock auf dem zweiten Album und dem nun erneut recht radikal in Richtung Kitschschlager rumgerissenen Lenkrad, selbst ein wenig die Orientierung verloren hat. Kurz gesagt: they seem to have lost the plot.
Irgendwie bezeichnend, dass man zu Beginn von A Dustland Fairytale geneigt ist „full of Scheiß“ zu verstehen, wo man eigentlich „foolish eyes“ hören sollte.
Und was hält man von Tracks wie Goodnight Travel Well? Ist das nun eine nette Ballade, oder ein fürchterlich billiger Quark?
Ich neige zum gesenkten Daumen, empfinde allerdings bei den Killers keine allzu große Enttäuschung, weil ich die irgendwie noch nie so richtig spannend fand.
Thema verfehlt.
Im nächsten Beitrag widmen wir uns dann den positiven Erscheinungen des Musikjahres 2008. Erwarten Sie ein Wiedersehen mit, na klar, mal wieder Kings of Leon, Oasis und Kettcar. Aber freuen Sie sich z.B auch schon auf Vampire Weekend, eine weitere Q-Hitliste und einige alte Haudegen, mit denen Sie vielleicht nicht unbedingt gerechnet hätten.
Große Pause.
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